© Foto Birgit Strohscher
INTERVIEWREIHE – PANDEMIEERFAHRUNGEN – Folge 3
Schwimmend und schreibend durch die Pandemie
Die nun schon bald zwei Jahre währende Pandemie hat sich massiv auf unser aller Alltag ausgewirkt. Das öffentliche Leben wurde zeitweise ausgesetzt. Malkurse und -workshops und Ausstellungen konnten nicht stattfinden. Homeschooling und Homeoffice der Partner oder Partnerinnen haben das Alltagsleben z.T. stark auf die Probe gestellt.
Wir möchten mit dieser Serie unsere Kursanbieterinnen und Kursanbieter erzählen lassen, wie sie die Pandemie erlebt haben. Uns interessiert natürlich insbesondere, wie sich die Pandemie auf ihre Kunst oder ihre Malschule ausgewirkt hat. Welche Rückschläge galt es auszuhalten und welche neuen Impulse sind entstanden?
In dieser Folge sprechen wir mit Birgit Strohscher, der Gründerin der Freien Kunstakademie Hamburg. Ihr Business war vom ersten Lockdown an massiv von der Pandemie betroffen. Im Interview erzählt sie, wie sie die Pandemie bisher erlebt hat und was ihr geholfen hat, durch diese verrückte Zeit zu kommen.
Birgit Strohscher kurz vorgestellt
Birgit Strohscher (Jahrgang 67) entdeckte 2005 die Malerei und knapp zwei Jahre später auch die Liebe zur Fotografie für sich. Neben Ausstellungen im Raum Schleswig-Holstein und Hamburg (u. a. Teilnahme an der jurierten Regionalschau Pinneberg 2009, 2013 und 2017) wurden einige ihrer Fotografien in Bestsellern zum Thema Digitale Fotografie veröffentlicht. Nach vielen Jahren des Selbststudiums und Weiterbildungen bei renommierten Künstlern gründete sie 2014 die Freie Kunstakademie Hamburg. Mit einer Vielzahl an Dozent*innen organisiert sie ganzjährigig Kurse von Acrylmalerei über Fotografie bis hin zum Zeichnen. Ihre Ateliers in einer alten Kavallerieschule in Hamburg musste sie coronabedingt aufgeben. Seitdem finden ausgewählte Kurse in wechselnden Locations in Hamburg und Schleswig Holstein statt. Mit Beginn des ersten Lockdowns schwimmt und schreibt sie sich durch die Pandemie.
Das Interview
kukundo: Wir starten wieder mit unserer Standardeingangsfrage: Würdest du dich als Gewinnerin oder als Verliererin der Pandemie bezeichnen?
BS: Weder noch. Auch wenn ich, durch die staatlichen Auflagen, streckenweise quasi mit einem Berufsverbot zu kämpfen hatte und habe, habe ich auf vielen anderen Ebenen wichtige und schöne Erfahrungen gesammelt. Die ich vorher aufgrund des Arbeitsaufkommens nicht gemacht hätte.
kukundo: Wie hast du persönlich den Beginn der Pandemie erlebt?
BS: Sehr surreal. In der Akademie ging gerade ein großartiger Kurs mit Ines Hildur zu Ende. Natürlich war Corona während der Pausen ein Gesprächsthema und ich hatte tagsüber viele Anrufe erhalten, ob zukünftige Kurse noch stattfinden. Wir haben das zwar alle ernst genommen, aber uns auch gegenseitig immer wieder beschwichtigt. Ich war gerade auf dem Weg von der Akademie nach Hause, als mich ein Freund, der noch in der Akademie gearbeitet hat, anrief, weil er sich ausgesperrt hatte. Wir saßen dann im Treppenhaus und haben auf den Schlüsseldienst gewartet. Draußen war es schon dunkel und das Licht im Treppenhaus ging nach einiger Zeit immer wieder aus. Da bekam ich eine WhatsApp eines befreundeteten Künstlers, dass ich mit dem kommenden Tag die Akademie nicht mehr öffnen dürfe. Wir haben dann wie wild auf den Smartphones versucht alles an Nachrichten zu lesen, während wir mal im hellen und dann wieder im dunklen Treppenhaus auf den kalten Stufen saßen und warteten. Das hatte irgendwie auch was Gespenstisches. Ich habe gleich Laptop und alle wichtigen Ordner eingepackt, weil mir klar war, dass es mit 14 Tagen Lockdown nicht zu Ende ist.
kukundo: Ab wann und in welcher Form hat sich die Pandemie auf die FKAHH ausgewirkt?
BS: Gleich mit dem ersten Lockdown. Die Kurse, die davon unmittelbar betroffen waren, musste ich verschieben oder teilweise auch ganz absagen. Das habe ich als sehr stressig empfunden, weil ich ja auch nicht wusste, ob sich der Alternativtermin überhaupt halten lässt. Es war gewissermaßen eine Planung ins Ungewisse.
kukundo: Wann hast du den Entschluss gefasst, die FKAHH zu schließen/aufzugeben?
BS: Ziemlich schnell, das war bei den hohen Mietkosten etc. eine ganz simple Rechenaufgabe.
kukundo: Wie ging es dir mit der Entscheidung?
BS: Vom Kopf her wusste ich, ich mach das Richtige und darüber bin ich heute noch froh. Aber emotional war das ein sehr schwieriger und harter Weg, der auch heute noch nicht völlig abgeschlossen ist.
kukundo: Was hat dir in der Zeit geholfen, mit der Situation klar zu kommen?
BS: Als ich alles Organisatorische erledigt hatte und ich absolut nichts mehr machen konnte, habe ich tatsächlich auch so etwas wie Erleichterung gespürt. Ich konnte Dinge machen, die ich vorher immer wieder nach hinten geschoben habe. Seit Beginn des ersten Lockdowns schwimme ich regelmäßig einmal wöchentlich in einem See und bin so unerwarteter Weise zu einer Ganzjahresschwimmerin geworden. Etwas, was ich heute nicht mehr missen möchte. Außerdem pilgerte ich im Sommer 2021 185 km die via Jutlandica durch Schleswig-Holstein. Das hatte ich schon länger vor und ich konnte den Wunsch jetzt umsetzen. Seither schreibe ich auch regelmäßig in einem Online-Kurs für kreatives Schreiben.
Zu Fuß durch Schleswig-Holstein
Via Jutlandica
kukundo: Bist du durch die rechtzeitige Schließung mit einem blauen Auge davon gekommen oder würdest du den finanziellen Schaden als dramatisch bezeichnen?
BS: Glücklicherweise bin ich mit einem blauen Auge davongekommen.
kukundo: Das freut uns! Was hast du aus der Krise gelernt?
BS: Dass es neben dem Beruf und der Arbeit wichtig ist, sich immer wieder auf das Wesentliche zu fokussieren und auch mal zu reduzieren. Ich bin dankbarer geworden.
kukundo: Du bist selbst ja auch kreativ tätig. Wie hat sich die gewonnene Zeit bzw. die Gesamtsituation auf dein Schaffen ausgewirkt?
BS: Während des Akademiealltags hatte ich mir immer gewünscht, mehr Zeit zum Malen zu haben. Tatsächlich ist dieser Wunsch gar nicht mehr präsent gewesen. Stattdessen habe ich sehr viel geschrieben. Kurzgeschichten und Gedichte in erster Linie. Ich habe gemerkt, dass Schreiben mehr mit mir zu tun hat als Malen.
kukundo: Wie geht es dir heute?
AB: Insgesamt gut. Auch wenn es angesichts der Krisendauer immer mal wieder ein Auf und Ab ist.
kukundo: Wie geht es weiter? Gibt es einen Neuanfang für die FKAHH?
BS: Ich plane weiterhin Kurse anzubieten, aber längst nicht mehr in dem alten Umfang. Zur Zeit finden die Kurse in verschiedenen Locations statt.
In den letzten Monaten habe ich immer wieder neue Konzepte entworfen und verworfen. Auch das ist ein Prozess, der im Grunde noch andauert. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass es die Akademie in der gewohnten Art und Weise nicht mehr geben wird. In jedem Fall möchte ich meine positiven Erfahrungen, die ich in den letzten zwei Jahren gesammelt habe, nicht mehr missen. Damit sie weiterhin Bestandteil meines Lebens bleiben, brauche ich dafür Zeit und Raum.
kukundo: Zum Abschluss noch zwei Fragen zum Thema Online-Kurse. Ein Bereich, der in der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat. Welche Erfahrungen hast du als Veranstalterin oder auch Teilnehmerin mit Online-Kreativangeboten gemacht?
BS: Sehr gemischte, positive wie weniger positive. Ich selbst nehme an einem Kurs für kreatives Schreiben teil und das gefällt mir im Moment besser als Präsenzunterricht. Malkurse via Zoom dagegen sind nichts für mich, da mir einfach der Austausch mit anderen fehlt. Ich weiß von vielen Akademieteilnehmern, insbesondere den älteren, dass Ihnen das digitale Angebot aber auch geholfen hat, gut durch diese Zeiten zu kommen.
kukundo: Wie schätzt du insgesamt die Lage für den Markt der Kunstkurse ein? Gibt es z. B. eine dauerhafte Verlagerung zu Online-Angeboten?
BS: Viele digitale Angebote sind eine gute Alternative. Grundsätzlich denke ich aber, dass es bei den Kunstkursen nicht nur um Vermittlung von Wissen und Techniken geht, sondern der Austausch mit den Dozenten und anderen Teilnehmern ebenso wichtig ist. Man lernt ja auch von den Erfahrungen und Fehlern anderer. Und das geht am besten im Präsenzunterricht.
Urban Skechting auf der Nordart 2021
Kalligrafiekurs mit Denise Lach
kukundo: Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Petra Gieffers – Das Copyright für alle Fotos liegt bei Birgit Strohscher.