Liebe Birgit Strohscher,
Sie sind mit der Freien Kunstakademie Hamburg seit der ersten Stunde bei FINDE DEINEN MALKURS dabei. Die Akademie wurde von Ihnen im Jahre 2014 gegründet. Seitdem ist sie eine feste Größe am norddeutschen Kunstakademie-Markt.
Uns beide verbindet – neben dem Standort Hamburg – dass Sie Ihren alten Beruf an den Nagel gehängt haben, um etwas ganz Neues zu beginnen. Das finde ich sehr spannend und freue mich deshalb darüber, dass Sie bereit sind, ein wenig von sich zu erzählen.
Wann und wodurch kamen Sie auf die Idee, die Akademie ins Leben zu rufen?
Die Idee, ein Seminarhaus zu gründen, hatte ich bereits Anfang 2000. Aber es war eben nur ein Gedanke, der lange Zeit einfach nur eine Idee blieb. Als ich im Mai 2013 in Süddeutschland einen Transferlithografiekurs besuchte, unterhielt ich mich mit einer Teilnehmerin aus München. Sie war erstaunt, dass ich den weiten Weg von Schleswig-Holstein, wo ich wohne, auf mich nehme, um einen Kunstkurs zu besuchen. Auf meine Antwort, dass wir in Norddeutschland keine Kunstakademie hätten, sagte sie zu mir: „Dann machen Sie das doch!“ „Die ist ja lustig“, dachte ich bei mir. Im August, während eines Yogaurlaubes in Andalusien, erinnerte ich mich an das Gespräch und da ich in meinen damaligen Job immer unzufriedener wurde, habe ich direkt nach einer Yogaklasse spontan zu mir gesagt, „Ok, ich mach das!“ Wieder Zuhause habe ich meinen Job gekündigt und sofort mit der Planung angefangen.
Was zeichnet das Angebot Ihres Hauses besonders aus?
Wenn wir uns unsere Feedbackbögen ansehen, dann ist das ganz klar die Atmosphäre auf dem Gelände der alten Kavallerieschule und natürlich in unseren hellen und großzügigen Räumen. Ich möchte unseren Teilnehmern das Gefühl geben, dass Sie willkommen sind und sich von der ersten Minute an wohlfühlen. Deswegen achte ich zum Beispiel auch stets auf frische Blumen. Ich denke, wir haben in unseren Räumen ein inspirierendes und ansprechendes Umfeld geschaffen, in dem jeder, der offen und bereit dafür ist, sich auf seine Kunst konzentrieren kann. Auch nach Unterrichtsschluss können die Teilnehmer weiterarbeiten und werden so nicht aus ihrem kreativen Prozess gerissen. Die Ateliers sind bis 21 Uhr geöffnet und wem das noch nicht ausreicht, der bekommt gerne die Schlüssel.
Außerdem bemühen wir uns um ein abwechslungsreiches Angebot mit erfahrenen Dozenten, die ihr Wissen gerne weitergeben und Anfänger wie Fortgeschrittene gleichermaßen anleiten können. Unsere Teilnehmer betonen auch immer wieder die gute Betreuung sowohl durch die Dozenten als auch durch die Akademie selbst.
Was waren die größten Herausforderungen in der Gründungsphase?
Genügend Aufmerksamkeit und damit potenzielle Teilnehmer zu erreichen.
Was haben Sie vorher gemacht?
Meine berufliche Laufbahn ist so bunt und vielfältig wie manches Kunstwerk. Als Biologisch-technische Assistentin habe ich im Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven gearbeitet und war mit dem Forschungsschiff Polarstern mehrmals in der Arktis. Darauf folgte ein Quereinstieg mit einer Zusatzausbildung als Psychologisch-technische Assistentin beim Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt in Hamburg. Schwerpunkt war hier die Auswahl von Luftfahrtpersonal für die Lufthansa. Zu guter Letzt habe ich einen Online-Shop für Fotografiezubehör gemanaged. Da wir sehr schnell expandiert sind, brach der kreative Part (Produktfotografie) immer mehr weg. Ich hatte zu dem Zeitpunkt wieder angefangen, Kunstunterricht zu nehmen und festgestellt, wie sehr mir das gefehlt hat. Daraus ist auch der Wunsch entstanden, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen.
Sehnen Sie sich manchmal zu Ihrem alten Angestelltenverhältnis zurück?
Ein klares Nein. Auch wenn die Selbstständigkeit immer mit Höhen und Tiefen verbunden ist und nicht die vermeintliche Sicherheit bietet wie das Angestelltendasein. Was ich jetzt an Freiheiten ausleben kann, möchte ich nicht mehr missen.
In welchen Schritten sind Sie als Akademie gewachsen?
Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Ich habe gleich mit einem großen, vielfältigen Angebot an Kursen begonnen. Das war notwendig, da wir ja insbesondere in der Anfangszeit nicht einschätzen konnten, welche Kurse angenommen werden. Da für die Fotokurse von Anfang an ein reges Interesse bestand, haben wir unser Angebot durch zwei FineArt-Printer erweitert und inzwischen sogar Druckaufträge für kleinere Ausstellungen umsetzen dürfen. Hier freue ich mich besonders, dass wir für eine schwedisch-russische Künstlerin, welche dieses Jahr bei der Nordart vertreten sein wird, den Druck ihrer großformatigen Fotos übernehmen dürfen.
Sind Sie weiter auf Wachstumskurs oder steht erst mal Bestandswahrung auf dem Programm?
Ich glaube, dass beides ausgewogen sein sollte. Aber, um wachsen zu können, braucht es auch eine solide Grundlage. Leider verliere ich das selbst häufig mal aus den Augen. Dann habe ich so viele Ideen, dass ich mich häufig überschlage. Die Ideen, die mich nicht loslassen, versuche ich irgendwie zu verfolgen. Und dann bin ich froh, wenn mich jemand wieder auf den Boden holt und ich mich in Demut üben kann.
Was war und ist Ihnen in Ihrem Tun besonders wichtig?
Authentisch sein und Begeisterung wecken.
Was ist ihr ganz persönliches Motto?
Ein bestimmtes Motto habe ich nicht. Ich versuche, besonders wenn etwas schiefläuft, möglichst positiv zu bleiben, und sage mir, dass es seinen Sinn hat. Auch wenn das natürlich nicht immer auf Anhieb klappt.
Was bedeutet Kunst und das Malen Ihnen persönlich?
Kunst kann berühren, wenn man sich drauf einlässt. Unter die Haut gehen. Und in dem Moment ist es eine Auseinandersetzung mit mir selbst. In den kreativen Prozess gehen, sei es durchs Malen oder etwas Anderes, kommt man sich immer etwas näher, Unwichtiges rückt in den Hintergrund. Kunst und Kreativität machen glücklich und können noch so viel mehr: entspannen, bereichern, die Fantasie anregen. Und dann macht es schlicht und einfach Spaß.
Finden Sie selbst noch genügend Zeit zum Malen?
Leider nicht. Manchmal fehlt es mir, nur habe ich dafür im Moment keine Ruhe. Aber wenn ich mal den Kopf frei haben muss oder das Gefühl habe, ich muss jetzt mal wieder was mit meinen Händen machen, schnappe ich mir meine analoge Kamera und gehe raus. Oder ich arbeite an meinem Schneiderbüstenprojekt. Das sind beides Dinge wo ich sofort starten kann und nicht erst in einen Prozess reinkommen muss. Außerdem schreibe ich gerne einfach drauf los und wenns gut läuft, kommt eine Kurzgeschichte dabei heraus.
Wie entwickelt sich Ihrer Einschätzung nach der kreative Unterrichtssektor?
Ich glaube, dass es hier wie in vielen Bereichen immer mal auf und ab geht, die Tendenz aber stets positiv bleiben wird. Menschen sind von Natur aus immer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, nach Erfüllung. Die Fragen „Wer bin ich?“ und “Wo will ich hin?“ treibt die meisten von uns um. Meiner Meinung nach findet man Antworten hierauf am ehesten in der Kreativität – egal womit wir uns Letztendlich beschäftigen. Daher besteht für den Unterrichtssektor immer irgendwie Bedarf.
Beobachten Sie einen Trend, was die Beliebtheit von Kursthemen und vermittelten Techniken angeht?
Kalligrafie und Acrylmischtechniken stehen eindeutig an der Spitze.
Gibt es eine Anekdote aus Ihrem Akademie-Leben, die Sie uns gerne erzählen möchten?
Vor einiger Zeit rief mich ein älterer Herr an uns sagte, er interessiere sich für einen Kurs. Er erzählte mir, dass er schon etwas älter sei und seit sehr, sehr vielen Jahren male. Während wir telefonierten, wurde er immer nervöser, da er den Kurskatalog nicht finden konnte und ihm der Name des Künstlers nicht einfiel. Irgendwann sagte er, „Entschuldigen Sie, das ist mir unangenehm, ich bin 83 Jahre alt und möchte gerne zu dem Künstler, der im Juni bei ihnen ist, der mit dem ausgekratzten Pferd.“ Ich musste schmunzeln und nach einigem Hin und Her war klar, dass er Peter Feichter meinte. Da der Herr keinen Internetzugang hatte, setzte ich mich hin und fasste alle Informationen in einem Brief zusammen. In dem Brief machte ich ihn außerdem noch drauf aufmerksam, dass unsere Ateliers im zweiten Stock seien und es keinen Fahrstuhl gäbe. Briefmarke drauf und abgeschickt.
Knapp vier Wochen später stand nun ein temperamentvoller 83-Jähriger vor meiner Tür und bedankte sich mit einem verschmitzten Lächeln für meinen netten Brief. Er sagte, er habe sich trotz meiner Wegbeschreibung verfahren, was aber an seinem alten Stadtplan gelegen hätte. Er habe das Auto extra stehen gelassen, weil man damit in den Straßen ja so schlecht anhalten könne, um den Plan zu lesen. Stattdessen habe er das Motorrad genommen! – Und ich hatte mir Sorgen gemacht, dass ihm die Treppe in den zweiten Stock zu anstrengend werden könnte!
Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich freue mich immer wieder, wenn TeilnehmerInnen mir sagen, wie schön sie die Akademie finden und sie spüren, mit wie viel Herzblut und Liebe ich dieses Projekt aufbaue. Ganz besonders zufrieden und glücklich bin ich, wenn sie sich nach einem Kurs einige Tage später noch einmal hinsetzen, um mir noch einmal eine Email schreiben und sich bedanken – manchmal sogar handschriftlich, ganz klassisch per Brief. Das finde ich nicht selbstverständlich. Gleichermaßen freue ich mich, dass ich so viel positive Feedbacks auf meinen Newsletter erhalte. Einmal hat mir eine Teilnehmerin gesagt, dass sie sich immer sehr freut, wenn ich schreibe. Das täte ihr richtig gut.
Ja, dann bin ich auch ein klein wenig stolz.