Liegt Kalligrafie im Trend? Und welchen Trend gibt es innerhalb der Kalligrafie?
Liebe Birgit Nass, Sie sind Grafik-Designerin und Kalligrafin. Sie geben an unterschiedlichen Orten in Eigenregie und in Kooperation mit diversen Institutionen und Kollegen viele spannende Kurse rund um das Thema Schrift.
Birgit Strohscher, die Leiterin der Freien Kunstakademie Hamburg, sagte in einem Interview, das wir mit ihr geführt haben: „Kalligrafie liegt im Trend.“ Finden Sie das auch?
Liegt Kalligrafie im Trend?
Ja, Kalligrafie bzw. Handlettering und Brushlettering sind aktuell ein angesagtes Thema. Wobei Handlettering als zeichnerische Umsetzung von Schrift und Brushlettering mit Pinselfilzstiften schneller zu erlernen sind als die klassischen kalligrafischen Schriften mit Bandzugfedern und Spitzfedern.
Ihre Kurse haben immer wieder andere Schwerpunkte. Welche Themen werden besonders gut angenommen?
Die Kombination von Schriften mit anderen künstlerischen Techniken interessiert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besonders, weil sie es spannend finden, das Geschriebene als eine Gestaltungsmöglichkeit in einen jeweils anderen Kontext zu bringen. Sei es in Kombination mit Acrylfarbenmalerei oder Collagen auf Leinwand oder zusammen mit Buchbindetechniken für Künstlerbücher oder in einer inhaltlichen Erarbeitung zu einem Thema.
Gibt es innerhalb der Kalligrafie verschiedene Disziplinen? Wenn ja, welche eignet sich besonders gut für Einsteiger? Welche ist eher was für Geübte?
Ja, es gibt durchaus unterschiedliche Disziplinen, um das Wort aufzugreifen. Erstens die historischen Schriften, die unterschiedlich schwer sind. Einige sind unkomplizierter in der Federführung und Form und besser für Einsteiger geeignet, z. B. die Unziale, die karolingische Minuskel. Für einige Formen, z. B. die Kapitalis Monumetalis, braucht man schon eine richtige Lehrzeit, eh man sie gut mit der Feder schreiben kann. Als zweites würde ich die Handschriften nennen, die mit kalligrafischen Werkzeugen geschrieben werden. Das Arbeiten mit der eigenen Handschrift ist der Weg, über den ich in meinen Kursen am liebsten einsteige, da die Formen vertraut sind und man sich voll auf das Erlernen des Umgangs mit den Werkzeugen konzentrieren kann. Außerdem ist es das, was viele Einsteiger möchten, mit schönen Werkzeugen und Farben Karten, Briefe oder auf Bilder zu schreiben. Und die dritte Disziplin sind für mich die gezeichneten Buchstaben, das so genannte Handlettering, die einfacher zu erlernen sind, weil man dabei nicht den handwerklichen Umgang mit Schreibfedern lernen muss. Der geübte Zeichner kommt sehr schnell in das Arbeiten und Erfassen der Formen hinein und kann dann mit den unterschiedlichsten Pinseln etc. die Buchstaben malen.
Gibt es innerhalb der Kalligrafie einen Trend?
Ich denke, ein aktueller Trend ist das schon erwähnte Handlettering und, als unkomplizierte Variante, das Brushlettering.
Wie kamen Sie zur Kalligrafie?
Ich habe die Kalligrafie innerhalb meines Grafik-Design-Studiums kennengelernt, und es hat mich so sehr fasziniert, dass ich meinen Schwerpunkt später darauf ausgerichtet habe. Anschließend habe ich in Hamburg die von Martin Andersch gegründete Schule für Schrift besucht und dort meine kalligrafischen Grundlagen erarbeitet. Danach habe ich viele verschiedene Workshops und Fortbildungen besucht.
Was fasziniert Sie am meisten daran?
Am spannendsten finde ich, aus Worten Bilder entstehen zu lassen und Texte gestalterisch zu interpretieren.
Haben Sie Vorbilder?
Ja, ich habe Lieblingskünstler wie z.B. Anselm Kiefer, Lieblingskalligrafen wie Brody Neuenschwander und Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke, die mich immer wieder aufs neue inspirieren und die sehr wichtig waren und sind für das Finden meines Stils.
Bei wem würden Sie selbst gerne noch einmal in die Schule gehen?
Ich habe immer mal wieder die Möglichkeit, bei großartigen Kalligrafen und Künstlern auch Workshops zu besuchen. Das war und ist für mich eine gute Möglichkeit, immer noch mehr Erfahrungen zu machen, die ich in meine Arbeiten mit einfließen lassen kann. Ich finde diese Mischung aus dem Besuchen und Geben von Kursen sehr bereichernd und inspirierend.
Was ist Ihr ganz persönliches Motto?
Einer meiner Lieblingskünstler Anselm Kiefer, hat einmal gesagt: „Ich lasse mich treiben, aber ich kenne die Strömung, die ich mir ausgesucht habe.“ Das ist meiner Meinung nach der perfekte Weg, zu arbeiten und zu unterrichten.
Gibt es eine Anekdote aus Ihrem Dozentenleben, die Sie uns gerne erzählen möchten?
In eigentlich jedem Kurs gibt es so ganz persönliche Momente, jeder Kurs hat seine eigene spezielle Note, so dass sich viele besondere und schöne Momente aneinander reihen, die ich alle nicht missen möchte. Da kann ich gar nicht so direkt eine einzelne Anekdote herausheben.
Was treibt Sie an? Was macht Sie glücklich?
Meine Arbeit macht mich glücklich, ich tue genau das, was ich am liebsten tun möchte, und das ist ein riesiges Glück. Mich treibt an, noch mehr Bilder, Objekte und Künstlerbücher entstehen zu lassen und in die Welt zu bringen, neue Themen zu bearbeiten und auch das Glück des kreativen Schaffens weitergeben zu können.
Verfolgen Sie aktuell ein besonderes künstlerisches Projekt?
Eigentlich arbeite ich immer an Projekten und Themen, die mich faszinieren. Einige Themen lassen mich über Jahre nicht los, und es entstehen immer neue Arbeiten. Suchen und Finden ist so ein Thema, das Thema Wasser oder Whispering Lines, also Flüsternde Linien. Sie finden diese Themengruppen jeweils mit einer Beschreibung auch auf meiner Webseite.
Vielen Dank für das Interview!
Birgit Nass wurde 1968 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur studierte sie ”Grafik Design” an der “Kunstschule Alsterdamm” in Hamburg. Neben der ersten angestellten Tätigkeit im Bereich Verpackungsdesign besuchte sie die ”Schule für Schrift” in Hamburg. Zusätzlich besuchte sie verschiedene internationale Seminaren und Meisterklassen. Freiberuflich, künstlerisch arbeitet sie seit 1998. Seit 2000 leitet Birgit Nass Workshops und ist als Dozentin tätig, z.B. an der Kunstschule Wandsbek und der Design-Factory Hamburg. Die künstlerischen Arbeiten und Kalligrafien von Birgit Nass sind in verschiedenen Gallerien, Kunstvereinen und Museen in Deutschland, Österreich, Belgien und Italien ausgestellt worden. www.birgitnass.de