
Praxistipps:
Nachhaltigkeit in der Kunst: Umweltfreundlich malen – ohne Kompromisse bei Ausdruck und Qualität
Abb 1 – Arbeit auf Papier mit Pigmenten und Marmormehl
Copyright Fotos Ruth Trinczek-Helten
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Nachhaltigkeit in der Kunst: Umweltfreundlich malen – ohne Kompromisse bei Ausdruck und Qualität
Von Ruth Trinczek-Helten | Lesezeit: 4 Minuten
In der Kunst geht es oft um Ausdruck, Emotion und Individualität. Doch genauso wichtig ist die Frage: Wie entstehen unsere Werke? Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit sind in der Malerei keine Modebegriffe, sondern ein bewusster Umgang mit Ressourcen, Materialien und der eigenen Verantwortung – für uns selbst, für unsere Sammler und für die Umwelt.
In diesem Beitrag teile ich erprobte Ideen, Materialien und Atelier-Routinen, die Kunstschaffende sofort umsetzen können, ohne auf künstlerische Tiefe oder Qualität zu verzichten.
1. Warum Nachhaltigkeit in der Kunst zählt
Kunstwerke begleiten ihre Besitzer oft ein Leben lang. Sie prägen Räume, schaffen Atmosphäre und transportieren Geschichten. Umso sinnvoller ist es, schon im Entstehungsprozess darauf zu achten, dass Materialien langlebig, schadstoffarm und verantwortungsvoll ausgewählt werden. Nachhaltigkeit heißt hier nicht „Verzicht auf Ausdruck“, sondern bewusste Auswahl und Nutzung.
2. Umweltfreundliche Materialien – die Basis
Die Materialwahl entscheidet maßgeblich über den ökologischen Fußabdruck eines Kunstwerks. Besonders bewährt haben sich:
- Mineralische & erdige Pigmente (z. B. Umbra, Siena, Ocker) – lichtecht und langlebig
- Sumpfkalk & Marmormehl – für Strukturen, diffusionsoffen und stabil
- Kasein, Methylcellulose, Pflanzenleime – ungiftige Bindemittel für Grundierungen oder Mischtechniken
- Low-VOC-Acrylfarben* – emissionsarm, wasserbasiert
- Holzpanels & Keilrahmen aus FSC-/PEFC-zertifiziertem Holz oder Upcycling-Malgründen
- Leinwände aus Hanf oder Leinen – robust, oft weniger wasserintensiv als Baumwolle
💡 Hinweis: Bei erdölbasierten Materialien wie Bitumen lohnt es sich, sparsam zu arbeiten, mit mineralischen Füllstoffen zu kombinieren und Reste fachgerecht zu entsorgen oder kreativ weiterzuverwenden (z. B. als Collageelement).
*- VOC steht für Volatile Organic Compounds, auf Deutsch: flüchtige organische Verbindungen.
Das sind chemische Stoffe, die bei Raumtemperatur aus Farben, Lacken, Klebern, Lösungsmitteln usw. ausdünsten und die Raumluft belasten können – teilweise mit Geruch, teilweise auch unsichtbar.
Low-VOC bedeutet: Das Produkt hat einen sehr niedrigen Anteil dieser Schadstoffe.
No-VOC heißt: Es sind praktisch keine messbaren VOCs enthalten.
Warum das in der Kunst wichtig ist
- Weniger Geruch & Ausgasung → gesündere Arbeitsumgebung.
- Umweltfreundlicher, weil weniger Schadstoffe in Luft und Wasser gelangen.
- Oft angenehmer im Studio, besonders bei längeren Mal-Sessions oder in geschlossenen Räumen.



3. Werkzeuge & Hilfsmittel mit langer Lebensdauer
- Spachtel & Rakel aus Metall oder Holz statt Einweg-Plastik (siehe Abb. 5 und 6)
- Paletten aus Glas, Porzellan oder Emaille – leicht zu reinigen und wiederverwendbar
- Pinselreinigung: Bei Acrylfarben das 2-Eimer-System nutzen, Feststoffe absitzen lassen und nicht in den Abfluss geben
- Maskiermaterialien in Papierqualität statt Kunststoff


4. Nachhaltige Atelier-Routinen
Kleine Veränderungen im Arbeitsalltag summieren sich über Monate zu einem spürbaren Effekt:
- Wasser sparen: Pinsel erst in einem „Schmutzwasser“-Eimer, dann im „Klarwasser“-Eimer auswaschen
- Materialreste verwerten: Eingetrocknete Farbreste oder Strukturbestandteile in neue Werke integrieren
- Lüften & Low-VOC-Produkte nutzen: für bessere Raumluft und weniger Schadstoffe
- Upcycling-Malgründe vorbereiten: alte Leinwände oder Holzreste mit frischer Grundierung neu nutzen
5. Verpackung & Versand – umweltfreundlich gestalten
Wer Kunst verkauft oder verschickt, kann mit einfachen Maßnahmen viel Müll vermeiden:
- Recycling-Kartons und gepolsterte Papierumschläge
- Glassine-Papier (Pergamentpapier) als Oberflächenschutz statt Plastikfolien
- Papierklebeband mit Naturkautschukkleber
- CO₂-kompensierte Versandoptionen wählen
- Beileger reduzieren: lieber eine kleine Pflegekarte beilegen als mehrere Flyer
6. Käufer einbeziehen
Nachhaltigkeit endet nicht, wenn ein Werk das Atelier verlässt. Sammler schätzen transparente Informationen:
- Pflegehinweise beilegen: Raumklima, Reinigung, Schutz vor direkter Sonne und Feuchtigkeit
- Materialtransparenz in Kurzform: Pigmente, Bindemittel, Malgrund, verwendete Schutzschichten
- Reparaturservice oder Auffrischungsangebote kommunizieren – verlängert die Lebensdauer des Werks und stärkt die Bindung zum Käufer
Fazit:
Nachhaltigkeit in der Kunst ist kein starres Regelwerk, sondern eine Haltung. Es geht darum, Entscheidungen bewusst zu treffen – bei der Auswahl der Materialien, im Arbeitsprozess, bei der Entsorgung und im Dialog mit Käufer*innen. Jede kleine Anpassung hat eine Wirkung, und zusammen schaffen wir eine Kunstpraxis, die nicht nur ästhetisch, sondern auch verantwortungsvoll ist.
Eure Ruth Trinczek-Helten

Ruth Trinczek-Helten stammt gebürtig aus Hessen und hat seit 2017 ihren Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen. Zurzeit lebt sie in Titz, in der Nähe von Jülich.
Seit 2010 leitet sie ein Aquarellforum und ist Mitglied im Kunstverein Jülich. Als freischaffende Künstlerin und Dozentin bietet sie Workshops an, die sich mit verschiedenen Maltechniken wie Aquarell und Mischtechniken befassen. Darüber hinaus organisiert sie regelmäßig innovative Kreativ-Workshops zu diesen Themen.