Abb 1 – Riva degli Schiavoni, Ölfarben, Papierwerk,  18/36 cm , 2025
Copyright Fotos Inge Schulz

INTERVIEW :: INSPIRATION :: PROFESSIONALISIERUNG

Von München nach Venedig – Inge Schulz über Kunst, Farbe und Neuanfangt

Ein Gespräch über die Entscheidung für ein Künstlerleben, tägliche Disziplin und das Ankommen am Lido di Venezia

Interview mit Inge Schulz | Lesezeit: 9 Minuten

Inge Schulz ist Künstlerin mit Herz und Haltung. Nach Jahren in München lebt und arbeitet sie heute am Lido di Venezia. Im Gespräch mit kukundo berichtet sie von ihrem Weg zur Kunst, vom Mut zum Neuanfang und davon, was es bedeutet, wirklich dranzubleiben und mit der Kunst sichtbar zu werden.

Kukundo: Inge, warum ist es dir wichtig, deine Geschichte zu erzählen?

Inge Schulz: Ich denke, es kann eine moralische Unterstützung für andere sein. Viele Kreative zweifeln daran, ob sich der Weg lohnt, ob man wirklich von der eigenen Kunst leben kann. Ich will Mut machen. Ich habe es geschafft, weil ich drangeblieben bin. Jeder Weg ist anders, aber es hilft, Geschichten zu hören, die gut ausgegangen sind. Mein eigener Weg war nicht geradlinig. Ich habe viel  ausprobiert – von der Mode-Boutique bis zur Feng-Shui-Ausbildung – doch die Malerei hat sich über die Zeit immer mehr in den Mittelpunkt geschoben.

Kukundo: Wie bist du eigentlich nach Venedig gekommen?

Inge Schulz: Der Liebe wegen! Ich habe meinen Lebenspartner Ermanno in München kennengelernt. Damals hatte ich dort den „Treffpunkt Kunst“, wo Seminare mit externen Dozenten stattfanden. Ich selbst habe zu der Zeit noch keine Kurse gegeben, nur mit Kindern gemalt. Ermanno war mein Nachbar mit einem Bistro. Wir kamen ins Gespräch, lernten uns kennen. Wir waren beide verwitwet, und irgendwann hat es gefunkt.

Kukundo: Und dann kam der Entschluss, nach Venedig zu gehen?

Inge Schulz: Ja. Ermanno ist gebürtiger Venezianer.  Er wollte immer nach Venedig zurück, wenn die Zeit gekommen ist. Nachdem er dann in Rente ging, hielt ihn eigentlich nichts mehr, nur ich war noch da. Er fragte mich, ob ich mitkomme. Ich kannte den Lido schon gut und hatte ihn über die Jahre liebgewonnen. Ich fühle mich hier sehr wohl, die Luft, die Leute, die Stimmung. Es hat einfach gepasst. Seit 2013 sind wir ein Paar, seit 2023 leben wir dauerhaft hier.

Kukundo: Wie lebt und arbeitet es sich für dich als Künstlerin am Lido?

Inge Schulz: Ich habe ein Atelier in der Città Giardino, der Gartenstadt, ein Viertel aus den 1950er-Jahren, ruhig, grün und gut angebunden. Mein Atelier liegt direkt an einer Bushaltestelle, gleich um die Ecke gibt es ein Café, und der Strand ist in unmittelbarer Nähe. Im Sommer kommen viele italienische Familien mit ihren Kindern vorbei, auf dem Weg zu ihrer „Cabanna“, einer gemieteten Strandkabine. Das bringt viel Leben vorbei an meinem Schaufenster.

Abb. 2 – Atelieransicht

Kukundo: Gab es einen Moment, in dem du wusstest: Jetzt gehe ich den Weg als Künstlerin wirklich konsequent?

Inge Schulz: Das war ein Prozess. Ich habe sehr viel ausprobiert in meinem Leben. In den 90er-Jahren hatte ich eine Boutique in Deggendorf. Eines Tages kam eine Frau hinein und fragte, ob ich etwas mit Malerei zu tun habe. Sie meinte: „Die Pullis hier sind angeordnet wie in einem Aquarellkasten.“ Und ich dachte nur: Genau so sehe ich das. Das ist meine natürliche Ordnung. Diese Frau hat mir die ersten Aquarellschritte beigebracht.

Weil ich aber immer groß malen wollte, bin ich 2010 zur Acrylmalerei übergegangen. 2013 habe ich dann eine fundierte Feng-Shui-Ausbildung gemacht, nicht das Klischee mit Möbelrücken, sondern eine profunde Grundausbildung. Da habe ich mich intensiv mit Farben, ihren Elementen und ihrer Wirkung beschäftigt. Das hat mein Verständnis für Komposition und Farbharmonie enorm geprägt und mich weiter bestärkt meinen farbigen Weg weiterzugehen.

Später habe ich mit Pigmenten experimentiert und bin schließlich bei der Ölmalerei gelandet. Das war mein Weg.

Kukundo: Was sind deine Themen und Motive?

Inge Schulz: Ich habe etwa drei Jahre lang ausschließlich Venedig gemalt, um die Architektur besser kennenzulernen. Danach hat sich mein Fokus auf das Thema Wasser verlagert, was sich hier natürlich anbietet, da man von Lagune und Meer umgeben ist. Heute arbeite ich aber eher in kleinerem Format und mit einem anderen Blickwinkel.

Ich nenne meine kleinen Werke, „Taschenbilder“, sie sind ideal für Touristen, weil sie in jede Handtasche passen. Viele reisen mit dem Flugzeug, und so ein kleines Unikat, direkt im Atelier gekauft, ist ein schönes Andenken. Es ist natürlich auch strategisch gedacht, und es funktioniert.

Abb. 3 – Il Sandolo – Pigmente und Acrylfarben auf Leinwand, 90/110 cm, 2020
Abb. 4 – ARTBOX – Inge Schulz, Ölfarben auf MDF Board, 15/15 cm , 2025

Kukundo: Und wie gestaltest du deinen Arbeitsalltag im Atelier?

Inge Schulz: Ich betreibe kein klassisches Geschäft, sondern ein Laboratorium d’arte, also ein Atelier. Ich kann öffnen, wann ich will, habe aber feste Zeiten, weil ich ein sehr disziplinierter Mensch bin. Ich arbeite von Dienstag bis Samstag. Montag ist mein freier Tag, es sei denn, ich muss an einem anderen Tag privat weg. Dann hole ich die Zeit montags nach und bin auch da im Atelier, wie zum Beispiel an Pfingstmontag, der hier kein Feiertag ist. Und manchmal ergibt sich gerade dann etwas Schönes: Eine Frau kam zufällig vorbei und kaufte spontan ein kleines Venedig-Bild. Ihr Vater war hier aufgewachsen. Das sind Glücksmomente.

Abb. 5 – Schaufensterblick Laboratorio d’Arte, Via Andrea Calmo, 17, mit Acrylbildern
Abb. 6 – Wasser Motive 30/30 cm, unten rechts, Volker, 90/80 cm Acrylfarben und Pigmente, 2019, verkauft

Kukundo: Welche inneren Hürden musstest du auf diesem Weg überwinden?

Inge Schulz: Am schwersten war für mich der private Abschied. Als mein erstes Enkelkind geboren wurde, bin ich gleichzeitig nach Venedig gegangen. Das war hart. Die Sprache oder der Ort waren kein Problem für mich. Ich bin da zu Hause, wo ich mich wohl fühle. Ich habe kein Heimweh im klassischen Sinne, aber natürlich fehlen mir die engen Freundschaften in München. Doch ich halte den Kontakt, telefoniere regelmäßig. Und das zeigt mir: Eine Freundschaft ist auch dann eine Freundschaft, wenn man sich nicht ständig sieht, sondern verbunden bleibt.

Kukundo: Wie kommst du sprachlich im Alltag zurecht?

Inge Schulz: Mein Italienisch ist aus meiner Sicht noch nicht so  gut, weil ich mit meinem Partner Deutsch spreche. Ich verstehe viel, tue mich aber mit dem Sprechen schwer. Zum Glück hilft mein Englisch weiter, und mit Händen und Füßen geht auch einiges. Die Menschen sind freundlich. Oft höre ich: „Du machst das toll, wir können kein Wort Deutsch.“

Kukundo: Viele Kreative träumen davon, ihre Kunst auch wirtschaftlich tragfähig zu machen. Wie war das bei dir?

Inge Schulz: Es hat sich entwickelt. Ich denke strategisch, achte auf Preis und Format. Wichtig ist die Kontinuität. Wenn man sichtbar bleibt und mit Menschen spricht, entstehen Chancen.

Abb. 7 – Landwärts, Acryl und Pigmente auf Leinwand, 90/80 cm, 2019
Abb. 8 – Skyline, vom Lido di Venezia aus gesehen, Ölfarben auf MDF-Board, 15/15 cm 2025

Kukundo: Wie hat sich deine künstlerische Arbeit wirtschaftlich entwickelt, seit du in Venedig lebst?

Inge Schulz: Im März 2024 habe ich mein Atelier gefunden, im Juli dann offiziell eröffnet. Kurz darauf hatte ich einen schweren Fahrradunfall. Zwei Monate war ich außer Gefecht: schwere Prellungen, eine Gehirnerschütterung und zwei gebrochene Rippen. Später stellte sich heraus, dass mein Herz die Frequenz nicht halten kann, ansonsten bin ich kerngesund. Ich bekam präventiv einen Herzschrittmacher.

Trotzdem war es mein erfolgreichstes Jahr, sowohl im Bildverkauf als auch mit Seminaren. Die Menschen haben mich vermisst. Als ich langsam wieder öffnen konnte, war die Resonanz groß. Das hat mir gezeigt, dass ich mit meiner Arbeit wirklich etwas bewege.  Erst kürzlich wurde mir richtig bewusst, dass ich hier am Lido ein Alleinstellungsmerkmal habe. Meine kleinen Daily Paintings im Schaufenster ziehen viele Menschen an. So etwas kennt man hier nicht und die Einheimischen sind besonders von „ihren“ Motiven begeistert. Sie sagen mir, wie toll es ist ihre Heimat/Umgebung im Miniformat zu würdigen. Ich bin hier keine Unbekannte, habe in Galerien ausgestellt und ein Netzwerk vor Ort.

Kukundo: Was hilft dir, dranzubleiben?

Inge Schulz: Ja, das ist mein Thema: dranbleiben. Ich sehe viele, die es mal versuchen, aber nicht durchziehen. Für mich gehören zur Kunst Hingabe und Disziplin. Ich brauche Tiefe. Freude ist wichtig, aber „nur zum Spaß“ ist mir zu oberflächlich. Es reicht nicht, alle zwei Monate den Pinsel in die Hand zu nehmen. Auch ich merke nach einer kurzen Pause, wie viel verloren geht. Man muss üben, regelmäßig dranbleiben, auch wenn nicht jedes Bild ein Meisterwerk wird. Viele denken, sie gehen in einen Kurs und kommen mit fünf großartigen Bildern zurück. Das ist unrealistisch. Kunst braucht Zeit, Geduld und den Willen, sich weiterzuentwickeln.

Kukundo: Was bedeutet es für dich, von der Kunst zu leben, über das Finanzielle hinaus?

Inge Schulz: Sichtbar zu sein. Menschen kommen vorbei, bleiben stehen, schauen ins Schaufenster und sagen: „Das ist ein Lichtblick.“ Dann weiß ich: Ich mache etwas, das anderen guttut. Das bestätigt mich.


Kukundo: Welche Rolle spielt für dich Gemeinschaft?

Inge Schulz: Ich glaube an Gemeinschaft, nicht an Wettbewerb. Ich sage immer: Ich habe keine Konkurrenz, ich habe Mitanbieter. Und ich freue mich für andere, wenn sie etwas verkaufen. Gerade in den Kursen entsteht viel Nähe, auch mit Einzelpersonen. Da passiert oft mehr als nur Malerei.

Kukundo: Gibt es etwas, das du anderen mitgeben möchtest?

Inge Schulz: Ja. Das Leben ist schön, trotz allem, was einem widerfahren kann. Es lohnt sich, dranzubleiben und dem eigenen Weg zu folgen. Was gibt es Schöneres als genau das tun zu können, was einen erfüllt? Wenn man das tut, fühlt es sich richtig an. Ich habe viel erlebt, auch Leid. Aber ich weiß heute: Ich bin angekommen.

Kukundo: Liebe Inge, danke dir für dieses offene Gespräch.

Inge Schulz: Ich danke euch. Bleibt dran!

Abb. 9 – Inge Schulz

Inge Schulz lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin am Lido di Venezia. Nach Jahren in München, einer fundierten Ausbildung in Feng Shui und vielen Stationen auf ihrem Weg hat sie sich ganz der Malerei verschrieben. Ihre Arbeiten sind geprägt von der intensiven Auseinandersetzung mit Farbe, Raum und Atmosphäre.

Als Farbexpertin verbindet sie künstlerisches Gespür mit dem Wissen um Farbpsychologie. In ihren Seminaren vermittelt sie, wie Farbe nicht nur Bilder, sondern auch Räume und Stimmungen prägen kann. Ihr Ziel ist es, Menschen zu ermutigen, ihre eigene Farbspur zu entdecken und die Kraft der Farben bewusst zu nutzen.

Weitere Einblicke in ihr Schaffen bietet ihre Website www.ingeschulz.de sowie ihre Online-Galerie bei Daily Paintworks.

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