Ein Schmetterling mit kaputten Flügel und das Portrait eines Mannes mit ausradiertem Kopf.

INSPIRATION | PRAXISTIPPS


Kreativ trotz Fehler – Warum Unvollkommenheit wertvoll ist

Von Petra Gieffers | Lesezeit: 6 Minuten

Perfektionismus – ein Wort, das viele von uns nur zu gut kennen. Besonders als Künstler*innen stehen wir häufig unter Druck, etwas „Perfektes“ zu schaffen. Ich befinde mich gerade selbst in einer Phase, in der ich versuche, lockerer und luftiger in meiner Malerei zu werden. Zuletzt habe ich mich manchmal in Details verloren – Linien angepasst, Farben optimiert, immer mit dem Gedanken, dass es noch „besser“ gehen müsse. Doch je mehr ich mich darauf fokussierte, desto mehr ging die Spontaneität verloren, die eigentlich das Herz meiner Arbeit ausmacht.

Als Kreativitätstrainerin und Künstlerin habe ich gelernt, dass gerade die Lücken, die Fehler und das Unfertige einem Werk Leben einhauchen. Heute möchte ich dich ermutigen, genau diesen Raum in deinen kreativen Prozessen zuzulassen – und vielleicht sogar darüber hinaus..

1. Warum Perfektionismus Kreativität blockiert

Perfektionismus ist oft wie eine unsichtbare Wand, die uns daran hindert, voranzukommen. Er flüstert uns ein, dass unser Werk nicht gut genug ist, dass andere es besser machen und dass wir erst dann weitermachen dürfen, wenn alles „perfekt“ ist. Doch was bedeutet überhaupt „perfekt“?

Perfektionismus ist subjektiv und häufig ein Konstrukt aus Selbstzweifeln, äußeren Erwartungen und gesellschaftlichen Idealen. Dieses Streben nach Fehlerlosigkeit führt dazu, dass wir:

  • Zuviel Zeit investieren: Stunden, Tage oder gar Wochen gehen ins Land, ohne dass wir ein Ergebnis erreichen.
  • Angst vor dem Anfang haben: Die Angst, etwas nicht perfekt zu machen, hindert uns oft überhaupt daran, zu starten.
  • Unsere Kreativität hemmen: Wenn wir zu sehr in Details verhaftet sind, verlieren wir die Freude am Schaffen und unseren kreativen Fluss.

2. Die Kraft der Unvollkommenheit und des Fehlerhaften

Unvollkommenheit hat eine eigene Ausstrahlung. Es erzählt Geschichten, zeigt Entwicklung und macht Werke lebendig. Ein Bild, das nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet ist, lässt Raum für Interpretation. Ein unvollkommener Text kann Emotionen transportieren, die ein glatter, perfekt durchdachter Text nicht erreicht.

Es sind oft die intuitiv in einem Flow entstandenen Werke, die Betrachter*innen am stärksten berühren. Warum? Weil sie ehrlich sind. Sie fangen den Moment ein, in dem sie entstanden sind – ohne Filter, ohne nachträgliche Änderungen.

Natürlich ist es auch wichtig, sich immer mal wieder an einem Werk „abzuarbeiten“, doch die Unvollkommenheit ist authentisch und gelegentlich auf ihre eigene Weise perfekt. Sie erlaubt uns, verletzlich zu sein und damit eine Verbindung zu anderen Menschen herzustellen.

Beispiele für Unfertiges könnten grobe Skizzen oder ein Bild in seinem Anfangsstadium sein, das Raum für Interpretationen bietet. Fehlerhaftes hingegen zeigt sich in Details: eine falsche Perspektive, eine missglückte Linie, ein unbeabsichtigtes Verwischen der Farbe oder ein Wasserfleck. Während Unfertiges oft Raum lässt, um weiterzudenken, kann Fehlerhaftes ein Werk auf eine ganz eigene Weise beleben. Beides trägt dazu bei, Charakter und Individualität zu schaffen.

Ein Gegenstand, der vollkommen schön ist, regt den Künstler nicht an. Es fehlt ihm das Unvollkommene.“ – Oscar Wilde

Und genau diese Erkenntnis kann weit über die Kunst hinausgehen. Wenn wir in der Kunst erfahren, dass das Unfertige einen eigenen Wert hat, können wir diese Haltung auch in anderen Lebensbereichen anwenden. Sei es in der Arbeit, in Beziehungen oder im Alltag – Unperfektes erlaubt uns, menschlich und flexibel zu bleiben, statt uns in unerreichbaren Idealen zu verlieren.

3. Warum wir Angst vor Fehlern haben

Unsere Angst vor Fehlern ist tief in uns verankert. Sie beginnt oft in der Kindheit, wenn wir für „Fehler“ kritisiert oder belächelt wurden. In der Schule lernen wir, dass es besser ist, keine Risiken einzugehen, als etwas Falsches zu machen. Doch genau diese Denkweise blockiert Kreativität.

In der Kunst gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Alles ist Ausdruck, alles ist möglich. Doch um das wirklich zu verinnerlichen, müssen wir unser Denken umprogrammieren. Fehler sind keine Niederlagen, sondern Chancen. Sie zeigen uns neue Wege, sie fordern uns heraus und machen uns besser.

Diese Haltung kann auch im beruflichen Kontext oder im Umgang mit Mitmenschen helfen. Anstatt Fehler zu fürchten, können wir sie als Möglichkeit sehen, Neues zu lernen und Beziehungen oder Projekte zu verbessern.

4. Wie du den Perfektionismus loslassen kannst

Das Loslassen von Perfektionismus ist ein Prozess, der Zeit braucht. Hier sind einige Ansätze, die dir helfen können:

  • Freies Skizzieren: Erlaube dir, ohne Ziel zu arbeiten. Nimm einen Stift und Papier und lass deine Hand einfach machen. Es geht nicht darum, etwas zu erschaffen, sondern den Prozess zu genießen.
  • Zeitlimits setzen: Begrenze die Zeit, die du für eine Aufgabe aufwendest. Wenn du weißt, dass du nur 30 Minuten hast, konzentrierst du dich auf das Wesentliche und machst dir weniger Gedanken über Details.
  • Teilen, bevor es „fertig“ ist: Zeige deine Arbeit anderen, auch wenn sie noch nicht „perfekt“ ist. Du wirst sehen, wie positiv die Reaktionen sein können.
  • Fehler feiern: Betrachte Fehler nicht als etwas Negatives, sondern als Teil deines kreativen Prozesses. Sie machen dein Werk einzigartig.
  • Perspektivenwechsel: Lege dein „fehlerhaftes“ Werk beiseite und schaue es dir später noch einmal an. Oft hilft es, mit Abstand neue Ideen oder Ansätze zu entdecken. Frage dich dabei: „Welche Möglichkeiten eröffnen sich aus dem, was hier entstanden ist?““

5. Kreativität braucht Raum und Freiheit

Kreative Prozesse sind wie Pflanzen – sie brauchen Raum, um zu wachsen. Wenn wir zu streng mit uns sind, ersticken wir unsere Kreativität. Gönne dir Pausen, lass dich inspirieren und erlaube dir, Fehler zu machen.

Nachdem ich im letzten Jahr viel Zeit an der Staffelei mit Leinwand verbracht habe, freue ich mich, in diesem Jahr wieder vermehrt auf Papier zu arbeiten. Einfach ausprobieren und spielerisch mit dem Material umgehen – ohne Ziel, ohne Druck. Diese Freiheit führt oft dazu, dass etwas Unerwartetes entsteht, das mich bestenfalls selbst erstaunt. Genau solche Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, sich selbst Raum zu geben.

Diese Freiheit, die wir in kreativen Prozessen erleben, kann uns auch helfen, mit Herausforderungen in anderen Bereichen umzugehen. Wenn wir den Druck loslassen, alles „richtig“ zu machen, können wir uns leichter auf das Wesentliche konzentrieren und neue Lösungen finden.

6. Impulse für deinen kreativen Alltag

  • Führe ein kreatives Tagebuch: Notiere deine Ideen, auch wenn sie unvollständig sind. Manchmal entstehen aus kleinen Gedanken große Projekte.
  • Experimentiere: Probiere eine neue Technik, ein neues Material oder ein anderes Format aus.
  • Lass dich inspirieren: Besuche Ausstellungen, lese Bücher oder beobachte die Natur, um neue Anregungen zu finden.
  • Gönne dir kreative Pausen: Manchmal braucht es Abstand, um neue Perspektiven zu gewinnen.

Fazit

Wenn wir Fehler und Unvollkommenheit annehmen, rückt der kreative Prozess in den Fokus, und der Druck, alles perfekt machen zu müssen, lässt nach. Oft sind es gerade diese scheinbaren Makel, die den Anfang von etwas Besonderem markieren.

Kreativität ist ein Abenteuer. Sie fordert dich heraus, überrascht dich und eröffnet neue Wege. Wenn du einmal erfahren hast, wie befreiend es sein kann, Fehler und Unvollkommenheit in deiner Kunst zuzulassen, wirst du bemerken, wie diese Haltung auch dein Leben bereichern kann.


Petra Gieffers ist Kreativitätstrainerin, freischaffende Künstlerin und Webdesignerin. Gemeinsam mit ihrem Mann Uwe Matern hat sie 2017 kukundo.de, die Plattform, auf der du dich gerade befindest ;-), ins Leben gerufen. Ihre Mission: Kunstkurse und kreative Menschen zusammenzubringen. Sie lebt am Stadtrand von Hamburg in Schleswig-Holstein. Neben ihrer Arbeit an kukundo unterstützt sie mit Digitales für Kreative kreative Köpfe dabei, sich online professionell zu präsentieren – mit einem Schwerpunkt auf WordPress-Websites. Einen Einblick in ihre künstlerische Arbeit findest du auf petra-gieffers.de.

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