Fotos vom Herstellungsprozess: ©Max Bode (Instagram: @knipsingspots_maxbode)

PRAXISTIPPS

Acrylfarben selbst herstellen – eine Anleitung

Von Kathleen Knauer | Lesezeit: 5 Minuten

Seit vielen Jahren stelle ich meine eigenen Farben her, insbesondere Acrylfarben, die ich aus Pigmenten und Bindemitteln selbst mische. Dieser Prozess ist tief in meiner künstlerischen Praxis verwurzelt und hat meine Arbeit grundlegend verändert, da ich die volle Kontrolle über Konsistenz, Leuchtkraft und Intensität der Farben habe. Indem ich Pigmente aus Mineralien und Pflanzenstoffen verwende, bringe ich die Geschichten dieser Materialien in meine Kunst ein. Das Mischen, Reiben und Verdünnen der Pigmente ist für mich ein sinnlicher Akt, der nicht nur visuell, sondern auch haptisch eine Verbindung zu den Farben schafft. 

Kathleen Knauer, Delft, Acryl auf Leinwand, © Kathleen Knauer

Das Herstellen eigener Acrylfarben mag auf den ersten Blick aufwendig erscheinen, doch es eröffnet eine Welt voller kreativer Möglichkeiten. Neben der Freude am Experimentieren bietet das Selbermachen eine Vielzahl an Vorteilen: von der Kontrolle über die Inhaltsstoffe bis hin zur individuellen Farbauswahl. In dieser Anleitung zeige ich dir, wie du deine eigenen Acrylfarben herstellen kannst und was dabei zu beachten ist.

Vorteile Selbstgemachter Acrylfarben 

Reine Pigmente und Keine Zusatzstoffe

Ein wesentlicher Vorteil der eigenen Herstellung von Acrylfarben ist die Möglichkeit, reine Pigmente ohne Zusatzstoffe zu verwenden. So hast du volle Kontrolle über die Inhaltsstoffe und kannst sicherstellen, dass deine Farben nur aus Wasser, Pigmenten und einem Binder bestehen.

Unbegrenzte Farbauswahl

Während die Farbauswahl bei gekauften Acrylfarben meist auf etwa 55 Farben beschränkt ist, stehen dir bei der eigenen Herstellung unzählige Pigmente zur Verfügung. Allein die Firma Kremer Pigmente bietet über 1.400 verschiedene Pigmente an. Darüber hinaus kannst du sogar eigene Pigmente aus Steinen, Erden oder Pflanzen herstellen.

Experimentieren mit Bindemitteln

Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, verschiedene Bindemittel auszuprobieren und so die Eigenschaften deiner Farben individuell anzupassen. So kannst du beispielsweise die Konsistenz, den Glanz oder die Trocknungszeit deiner Farben nach deinen Vorstellungen gestalten

Historischer Exkurs: Die Entwicklung der Acrylfarbe

Die Acrylfarbe hat eine relativ junge Geschichte. 1934 wurde bei BASF die erste gebrauchsfertige, wässrige Acrylharzdispersion entwickelt. Das Patent wurde jedoch schon 1930 von Rohm und Haas angemeldet. Die ersten Acrylfarben kamen 1946 unter dem Namen „Magna Plastic“ in New York auf den Markt und wurden bis in die 1990er Jahre produziert. In den späten 1940er Jahren wurden Acrylharzfarben in den USA und ab den 1960er Jahren auch in Europa für die Malerei populär. Heute sind sie nicht nur in der Kunst, sondern auch im Handwerk und Hobbybereich weit verbreitet.

Merkmale von Acrylfarben

Zusammensetzung und Eigenschaften

Acrylfarben bestehen aus Pigmenten, Wasser und einem Bindemittel, meist Kunstharz. Sie sind wasserlöslich, trocknen jedoch zu einem wasserfesten Film auf, was sie ideal für die Malerei macht. Die Trocknungszeit hängt von der Schichtstärke und dem Raumklima ab. Acrylfarben sind extrem vielseitig und können sowohl lasierend als auch pastos aufgetragen werden. Sie eignen sich für fast alle fettfreien Malgründe wie Leinwand, Papier, Holz oder Metall.

Vorteile und Nachteile

Vorteile:

  • Verdünnbar mit Wasser
  • Geruchsneutral und schnell trocknend
  • Wasserfest, säure- und alkalibeständig nach dem Trocknen
  • Flexibel in der Anwendung: von sehr dünn bis sehr dick

Nachteile:

  • Schnelle Trocknung erschwert das Arbeiten auf großen Flächen
  • Farbübergänge schwieriger zu gestalten
  • Farben dunkeln nach dem Trocknen nach

Herstellung von Acrylfarben und Utensilien

Utensilien:

  • Glas- oder Marmorplatte/Reibeschale
  • Spachtel/Glasläufer
  • Palettmesser
  • Dose mit Deckel/Schraubglas
  • Pinsel
  • Papier
  • Handschuhe und Mundschutz (FFP2-Maske)

Materialien:

  • Geeignete Pigmente (Kennzeichnung „Ac“ für Acryl)
  • Destilliertes Wasser
  • Acryldispersion (Binder)
  • Ggf. Orotan (Dispergiermittel)

Schritt-für-Schritt-Anleitung

1. Pigment vorbereiten: Gib eine kleine Menge Pigment auf eine Glas- oder Marmorplatte oder in eine Reibeschale (Abb. 1).

2. Wasser hinzufügen: Bilde mit einem Löffel eine Mulde im Pigmentpulver und füge tropfenweise destilliertes Wasser hinzu und vermische es mit dem Pigment zu einem Teig (Abb. 2-4).

Warum destilliertes Wasser?  

Destilliertes, demineralisiertes Wasser ist keimfrei und hat wenig bis keine mineralischen Anteile, die ggf. zu unerwünschten Farbveränderungen beitragen könnten. Da Pigmente Feinstaub verursachen können, solltest du sie immer mit ein wenig Wasser anteigen. Außerdem kannst du so besser den Bindemittelbedarf abschätzen und Pigmentklumpen vorbeugen.

3. Binder einarbeiten: Gib nun den Acrylbinder hinzu (Abb. 5) und reibe die Mischung zu einer homogenen Masse (Abb. 6).

4. Konsistenz prüfen: Die Farbe sollte eine Konsistenz ähnlich flüssiger Schokolade haben.

5. Testen: Trage die Farbe auf Papier auf und lasse sie trocknen. Überprüfe die Deckkraft und Konsistenz (Abb. 7-8).

Beachte: Jedes Pigment hat einen anderen Bindemittelbedarf. Das liegt an der Oberflächenbeschaffenheit der einzelnen Pigmente. Daher ist es wichtig die Farbe zuerst mit dem Reibetest zu testen und ggf. nachzubessern, bevor du sie weiter verarbeitest!

6. Lagerung: Fülle die Farbe zügig in einen luftdichten Behälter, z.B. in ein Glas mit Schraubverschluss und beschrifte es.

Tipps und Hinweise

  • Pigment vorbereiten: Um bessere Ergebnisse zu erzielen, setze das Pigment am Vortag mit destilliertem Wasser an und lasse es „einsumpfen“.
  • Lagerung: Da Acrylfarben schnell trocknen, sollten sie immer in einem luftdicht verschlossenen Behälter aufbewahrt werden.
  • Sicherheitsvorkehrungen: Gebe die Pigmente immer mit einem Löffel/Spatel in die Reibeschale oder Anreibeplattte, um Staub zu vermeiden. Trage beim Anreiben der Farben immer eine Schutzmaske und Handschuhe, um dich vor giftigen Dämpfen und Feinstaub zu schützen. Nicht Essen und Trinken! Vermeide während der Herstellung von Farben im selben Raum zu essen oder zu trinken, um nicht versehentlich Pigmente in den Körper aufzunehmen.

Fazit:

Das Herstellen eigener Acrylfarben ist nicht nur ein kreativer Prozess, sondern auch eine Möglichkeit, die Farben individuell an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Die Kombination von Pigmenten mit Acryl-Bindemitteln ermöglicht es dir, einzigartige Farbtöne und Texturen zu kreieren, die deine Ideen und Stimmungen präzise widerspiegeln. Obwohl es etwas Erfahrung und Übung erfordert, lohnt sich der Aufwand. Durch das Experimentieren mit verschiedenen Materialien wächst nicht nur dein handwerkliches Können, sondern auch die Beziehung zu den Farben und ihren natürlichen Ursprüngen. Beim Anreiben und Herstellen der Farben kommen wir natürlich nicht an die Qualität der industriellen Herstellung heran, aber das wollen wir auch gar nicht. Uns geht es um den Prozess, die Haptik und Wirkung der Farbe. Probiere es aus und entdecke die faszinierende Welt der Pigmente!


Atelierportrait der Mannheimer Kuenstlerin Kathleen Knauer
© Manfred Rinderspacher

Kathleen Knauer, geboren und aufgewachsen in Thüringen, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Mannheim, wo sie ihr eigenes Atelier betreibt. Nach ihrem Kunststudium gründete sie 2010 das Atelier und gibt dort Kurse zu Maltechniken und Materialkunde. Besonders wichtig ist ihr die eigene Herstellung von Farben, die sie aus Pigmenten und Bindemitteln mischt. Dieser Prozess ermöglicht ihr volle Kontrolle über Konsistenz und Leuchtkraft und schafft eine sinnliche Verbindung zur Farbe. Mit Mineralien- und Pflanzenpigmenten kreiert sie einzigartige Farbtöne und Texturen, die Teil ihrer künstlerischen Identität geworden sind.

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